Stellen Sie sich eine Familie vor, die im Laufe der Zeit durch harten Arbeitseinsatz und ein glückliches Händchen ein beträchtliches Vermögen angehäuft hat. Dieses Familienvermögen besteht aus einer repräsentativen Immobilie, einem wertvollen Kunstwerk und einer stattlichen Geldsumme. Im Bestreben, alles richtig zu machen, entscheiden sich die Eltern, ihr Vermögen bereits zu Lebzeiten an die Kinder zu verteilen.

Doch, wie heisst es so schön? „Der Teufel steckt im Detail.“ Jahre oder gar Jahrzehnte später unerwartete Probleme auftauchen, die keinem der Beteiligten jemals in den Sinn gekommen wären. Wieso?

Die Geschichte von drei Geschenken

Nehmen wir an, die Kinder der Familie erhalten jeweils eine Million Franken – in Form einer Immobilie, einem wertvollen Gemälde und einem Geldbetrag. Zunächst scheint das gerecht, denn jeder erhält denselben Wert, oder nicht?

Nun machen wir einen Zeitsprung. 30 Jahre sind vergangen. Die zwischenzeitliche Entwicklung auf dem Immobilienmarkt hat dazu geführt, dass der Wert der Immobilie auf 1,5 Millionen Franken gestiegen ist. Nicht etwa durch Investitionen oder Modernisierungen, sondern einfach wegen gestiegener Bodenpreise.

Das Gemälde dagegen hat an Wert verloren. Der Markt für Werke dieses speziellen Künstlers ist zusammengebrochen, und der Wert des Kunstwerks beträgt nur noch 500‘000 Franken.

Der Geldbetrag bleibt nominal 1 Mio. Franken.

Spielen diese Wertveränderungen beim Immobilieneigentümer und dem Bildeigentümer später erbrechtlich eine Rolle oder ist das einfach „Schicksal“?

Unerwartete Turbulenzen durch gesetzliche Regelungen

Nehmen wir mal an, die Schenkenden sterben 30 Jahre nach der Schenkung.

Plötzlich taucht ein entscheidendes Detail auf, das den harmonischen Anschein der ursprünglichen Schenkungen ins Wanken bringt und woran keiner 30 Jahre zuvor dachte:

Der Wert der Schenkungen wird gesetzlich nicht auf den Zeitpunkt der Schenkung, sondern auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers beziehungsweise der Erbteilung ermittelt.

Das führt zu folgender Rechnung:

  1. Das Kind, das die Immobilie erhielt, muss sich nun erbrechtlich 1,5 Millionen Franken anrechnen lassen. Es wird also so getan, als hätte es aus dem Erbe bereits diesen Wert erhalten;
  2. Das Kind mit dem Gemälde müsste sich, wenn überhaupt, nur noch 500‘000 Franken erbrechtlich anrechnen lassen
  3. Das Kind mit dem Geld hat unverändert 1 Million Franken

Die Ausgangssituation der vermeintlich gerechten Verteilung von Geschenken mit einem damaligen Wert von je einer Million Franken hat somit ganz ohne Verschulden der Kinder zu einer Ungleichheit geführt.

Dies kann zu Ausgleichs- und Herabsetzungsansprüchen führen, die möglicherweise das Kind mit der Immobilie sogar zwingen könnten, das Haus zu verkaufen oder weiter zu belasten.

Präventive Massnahmen gegen potenzielle Konflikte

Was kann man tun, um solch unerfreuliche Unstimmigkeiten zu verhindern? Als dringende Empfehlung wird ein Erbvertrag empfohlen, der klare Regeln und Werte festlegt – eine rechtssichere Übereinkunft, die Missverständnisse und Streit vorbeugt. Da der Erbvertrag in Form einer öffentlichen Urkunde verfasst wird, ist das die stärkste Form eines Vertrages. Sogar wenn man es rein schriftlich oder gar mündlich vereinbaren könnte, würde ich deshalb dennoch die Form des Erbvertrages empfehlen.

Fazit: Vorsorge ist besser als Nachsicht

Der Fall zeigt: Lebzeitige Zuwendungen können zu unerwarteten Ungleichheiten und potenziellen Konflikten führen, da der Wert der Schenkungen auf den Zeitpunkt des Todes des Schenkers oder der Erbteilung berechnet wird.

Jetzt handeln: Lassen Sie sich beraten

Das Nachlassrecht ist komplex und oft verwirrend, aber es gibt immer Lösungen, die helfen können, potenzielle Ungleichheiten und Konflikte zu vermeiden. Wenn Sie sich in einer ähnlichen Situation befinden, zögern Sie nicht, professionellen Rat einzuholen.

gian.pedolin@schweizer-rechtsanwalt.com
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