Halterhaftung im Strassenverkehr, aber nicht immer!

Vor einigen Tagen erhielt ich eine E-Mail, in welcher mich eine Person bat, eine Übertretungsanzeige zu prüfen in Bezug auf die Chancen. Es handelte sich um eine Übertretungsanzeige der Kantonspolizei St. Gallen. Oben rechts als Adresse stand geschrieben Ordnungsbussenzentrale, St. Gallen. Auch eine Ordnungsbussen-Nummer war darauf geschrieben. Vorgeworfen wurde an die Adresse der Halterin des Wagens, dass festgestellt worden sei, dass der Lenker des Fahrzeuges folgende Übertretung begangen habe: Überschreiten der signalisierten Höchstgeschwindigkeit nach Abzug der technisch bedingten Sicherheitsmarge auf Autobahnen um 26-34 km/h. Als zulässige Geschwindigkeit wurden 80 km/h angegeben. Die gemessene Geschwindigkeit habe 120 km/h betragen. Nach Abzug der Sicherheitsmarge von 6 km/h ergebe sich eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 34 km/h. Weiter stand geschrieben, dass es sich demnach um eine Verletzung von Art. 90 Abs. 1 des Bundesgesetzes über den Strassenverkehr handle. Mit Busse werde bestraft, wer Verkehrsregeln dieses Gesetzes oder Vollziehungsvorschriften des Bundesrates missachte.

Der anfragenden Person war bekannt, dass seit 1. Januar 2014 die sogenannte Halterhaftung in Kraft getreten sei. Ihr war jedoch nicht bekannt, was genau das bedeutet.

Dies zeigte sich in ihrer Mitteilung, dass sie auf dem dafür vorgesehenen Formular mit dem Titel wiederum Kantonspolizei St. Gallen Ordnungsbussenzentrale (rechts oben wieder die Ordnungsbussen Nummer) schreiben werde, dass sie und nicht die Halterin des Wagens gefahren sei, da es ja ohnehin nicht darauf ankomme.

Stimmt so nicht ganz, dachte ich und teilte folgendes mit:

Zwar gibt es seit Anfang dieses Jahres die sogenannte Halterhaftung (welche aber ebenfalls gewissen Voraussetzungen unterlegt), diese bezieht sich jedoch nur auf Fälle, die im Rahmen des Ordnungsbussenverfahrens gemäss Ordnungsbussenliste abgehandelt werden können.

Dies bedeutet bei Geschwindigkeitsüberschreitungen auf Autobahnen folgendes: nur bis zu einer Geschwindigkeitsüberschreitung von netto 25 km/h geht es im Ordnungsbussenverfahren und gilt damit auch die Halterhaftung, ab einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als netto 25 km/h geht es nicht mehr im Ordnungsbussenverfahren und gilt damit aber auch nicht mehr die Halterhaftung greifen, sondern ist dann eben entscheidend, wer gefahren ist bzw. wem bewiesen werden kann, gegen die Strassenverkehrsregeln und hier die Geschwindigkeitsvorschriften verstossen zu haben.

Gerade bei Ehegatten oder solchen Personen, welche ein Aussageverweigerungsrecht und ein Zeugnisverweigerungsrecht haben, kann es dann eben empfehlenswert sein, zu prüfen, ob man angeben soll, wer gefahren ist, oder den weiteren Verlauf des Verfahrens abwarten will, um dann zu schauen, ob die Behörde beweisen kann, wer der fehlbare Lenker war.

Der Laie könnte also allzu schnell auf gewisse Rechte verzichten, weil er denkt, es bringe ohnehin nichts, am Ende hafte ja der Halter. Das Formular, welches im vorliegenden Fall verwendet wird, kann vom Laien missverstanden werden. Zwar steht, aber ganz klein und auch wiederum für den Laien nicht klar verständlich, dass aufgrund der Messung und nach Abzug der Sicherheitsmarge die zulässige Höchstgeschwindigkeit in einer Höhe überschritten worden sei, welche eine Erledigung im Ordnungsbussenverfahren (OBV) ausschliesse. Es wird dann aber nicht darauf hingewiesen, dass dann die Halterhaftung nicht mehr greifen kann, das muss man dann halt einfach wissen.

FAZIT:

Wenn man nicht sicher ist, wer beispielsweise bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung gefahren ist, da muss man genau schauen, ob man sich noch im Ordnungsbussenverfahren bzw. Bereich von Übertretungen gemäss Ordnungsbussenliste befindet oder nicht. Sollte es nicht mehr im Ordnungsbussenverfahren bzw. über die Ordnungsbussenliste laufen, kann es sinnvoll sein, zu prüfen bzw. prüfen zu lassen, wie die Beweislast ist.

Hier geht‘s zur Ordnungsbussenliste:
hier geht‘s zum Ordnungsbussengesetz:

Auszug aus dem Ordnungsbussengesetz:

Art. 6 Vorgehen bei unbekanntem Fahrzeugführer

1 Ist nicht bekannt, wer eine Widerhandlung begangen hat, so wird die Busse dem im Fahrzeugausweis eingetragenen Fahrzeughalter auferlegt.
2 Dem Halter wird die Busse schriftlich eröffnet. Er kann sie innert 30 Tagen bezahlen.
3 Bezahlt er die Busse nicht fristgerecht, so wird das ordentliche Strafverfahren eingeleitet.
4 Nennt der Halter Name und Adresse des Fahrzeugführers, der zum Zeitpunkt der Widerhandlung das Fahrzeug geführt hat, so wird gegen diesen das Verfahren nach den Absätzen 2 und 3 eingeleitet.
5 Kann mit verhältnismässigem Aufwand nicht festgestellt werden, wer der Fahrzeugführer ist, so ist die Busse vom Halter zu bezahlen, es sei denn, er macht im ordentlichen Strafverfahren glaubhaft, dass das Fahrzeug gegen seinen Willen benutzt wurde und er dies trotz entsprechender Sorgfalt nicht verhindern konnte.

gian.pedolin@schweizer-rechtsanwalt.com
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