In einer idealen Welt passiert einem nichts Schlechtes oder sicher nicht überraschend. Man stirbt nicht plötzlich. Man wird nicht plötzlich krank. Man sieht sich nicht plötzlich damit konfrontiert, dass der Partner dauerhaft urteilsunfähig wird. Doch wir leben nicht in einer idealen Welt. Genau solche Dinge passieren immer wieder und niemand weiss, ob, wen es wann und wie trifft. Man kann sich nun darauf rechtzeitig vorbereiten oder aber nicht. Wichtig ist glaube ich, die Erkenntnis, dass man praktisch nie zu früh, aber zu spät sein kann, seine Angelegenheiten zu regeln.

Die nachfolgenden Bemerkungen ersetzen keine individuelle Beratung. Sie sind aus Verständniszwecken vereinfacht dargestellt und nehmen keine Vollständigkeit in Anspruch.

Einleitung

Kunden erwähnten im Gespräch mit mir nebenbei, dass sie im Konkubinat lebten und sich in Testamenten gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten.

Ich bat sie, sich folgendes Szenario vorzustellen:

  1. einer der Lebenspartner wird dement. Er weiss vielleicht nicht einmal mehr was von einem Testament, in welchem er den anderen Lebenspartner als Alleinerben eingesetzt hatte. Anders als geplant, verlässt der gesunde Partner den anderen und kümmert sich auch nicht mehr um ihn. Aber er ist als Alleinerbe eingetragen. Der verlassende Partner seinerseits widerruft das alte Testament und ersetzt es durch ein neues. Er nimmt den kranken Partner als Alleinerben raus und setzt jemand anders ein, vielleicht die neue Liebe.
  2. einer der Lebenspartner ändert das Testament, ohne dem anderen etwas zu sagen, nimmt ihn als Alleinerben raus und setzt jemand anders als Alleinerben ein. Er kümmert sich liebevoll um diesen, bis er stirbt. Später stellt er fest, dass der andere sein Testament geändert hatte und er nichts erbt.

Bei vielen gibt diese Vorstellung ein schlechtes Gefühl, nicht, weil sie das dem anderen Partner sofort unterstellen wollen, dass er das vorhat, aber mit einiger Lebenserfahrung weiss man, dass man nie etwas völlig ausschliessen kann. Andere reagieren sehr entspannt und sagen, wenn sie sowieso nichts mehr merken würden, dann sei auch das egal. Soll die Person damit glücklich sein.

Wenn Sie eher zu denen gehören, die das Gefühl haben, die Regelung der Alleinerbeneinsetzung soll verbindlicher sein und es soll verhindert werden, dass der andere Partner die Erwartungen nicht erfüllen könnte, zum Beispiel, dass er sich gerade in den schlechten Zeiten sich um einen kümmert, denen empfehle ich den Abschluss eines Erbvertrags.

Konkubinatspaaren empfehle ich immer mindestens die folgenden 4 Massnahmen:

Massnahme 1: Erbvertrag

Mit einem Erbvertrag regeln Sie Ihren Nachlass. Mit einem solchen können Sie Ihren Lebenspartner oder Ihre Lebenspartnerin als Erbe einsetzen und auch regeln, wann er als eingesetzter Erbe wieder ausser Betracht fällt und wer dann stattdessen erben soll. Die Möglichkeiten sind beinahe unbeschränkt.

Der Erbvertrag muss zwingend zu seiner Gültigkeit beurkundet werden. RA Pedolin bietet als öff. Urkundsperson diese notarielle Dienstleistung gerne an.

Massnahme 2: Erstellung und Beurkundung eines öffentlich beurkundeten Vorsorgeauftrags: 

Ein Vorsorgeauftrag ist notwendig, um eine oder mehrere Personen Ihrer Wahl für den Fall Ihrer dauerhaften Urteilsunfähigkeit zu bestimmen. Diese Person(en) würden dann quasi als privater Vormund agieren. Ein mehrfach im Original vorhandener Vorsorgeauftrag ist ratsam, da zwingend ein Original an die KESB gesendet werden muss. Sollte nur ein Original vorhanden sein, besteht das Risiko eines Totalverlustes. Bei meiner öffentliche Beurkundung erhalten Sie je zwei Originalexemplare und ein Originalexemplar verbleibt bei mir. 

Massnahme 3: Erstellung je einer Generalvollmacht und Beglaubigung der entsprechenden Unterschriften: 

Eine Generalvollmacht ist besonders hilfreich, wenn eine dauerhafte Urteilsunfähigkeit fehlt oder streitig ist. In diesem Fall kann oder will die KESB den Vorsorgeauftrag nicht bewilligen oder die Bewilligung verweigern und Sie könnten sich dann nicht auf der Grundlage eines Vorsorgeauftrags vertreten und umgekehrt. 

In einer faktischen Lebensgemeinschaft besteht ansonsten keine Vertretungsbefugnis nach aussen oder wird von Beteiligten nicht akzeptiert. Konkubinatspaaren wird deshalb empfohlen, sich gegenseitig eine Generalvollmacht auszustellen. Bildet das Konkubinatspaar eine einfache Gesellschaft und liegt keine gegenteilige Vereinbarung vor, so ist zwar jede der beiden Personen zur Geschäftsführung befugt und kann ohne Mitwirkung der jeweils anderen Person handeln. Demgegenüber ist für aussergewöhnliche Rechtshandlungen die Zustimmung beider Personen nötig (Quelle: Bericht des Bundesrats über die rechtliche Stellung von Konkubinatspaaren,) 

Lösung: Mit einer Generalvollmacht sind Sie immer für den anderen handlungsfähig. Auf Wunsch können mehrere Exemplare erstellt werden. Es können bei Bedarf auch beglaubigte Kopien erstellt werden.

Massnahme 4: Erstellung jeweils einer speziellen Vollmacht: Medizinalvollmacht beziehungsweise Besuchs-, Auskunfts- und Einsichtsvollmacht und Beglaubigung der entsprechenden Unterschriften:

Zuerst einige einleitende Worte

Wenn Sie möchten, dass der eine den anderen Partner auch im medizinischen Bereich vertritt, kann der Vorsorgeauftrag zwar durch eine Patientenverfügung ergänzt werden. Dies ist jedoch nicht zwingend notwendig. Seit dem 1. Januar 2013 ist «die Person, die mit der urteilsunfähigen Person einen gemeinsamen Haushalt führt und ihr regelmässig und persönlich Beistand leistet (mein Einschub: was man allenfalls beweisen können muss! Kann ja jeder sagen… vor allem, wenn es schnell gehen muss, kann die Bestreitung der Partnerschaft verzögernd und damit gefährlich und sein!)», berechtigt, Sie zu vertreten und den vorgesehenen ambulanten oder stationären Massnahmen die Zustimmung zu erteilen oder zu verweigern (Art. 378 Abs. 1 Ziff. 4 ZGB). 

Die Vertretung bei medizinischen Massnahmen gemäss Artikel 378 ZGB bezieht sich auf Entscheide über ambulante oder stationäre Behandlungen sowohl somatischer als auch psychischer Art. Sie umfasst die Möglichkeit, einen Behandlungsvertrag mit einer Gesundheitsfachperson, einen Hospitalisierungsvertrag oder einen Betreuungsvertrag im Rahmen von Artikel 382 ZGB abzuschliessen.

Um über die medizinische Behandlung entscheiden zu können, muss die Konkubinatspartnerin oder der Konkubinatspartner natürlich auch Zugang zu den medizinischen Akten der urteilsunfähigen Person haben. Betreffend Personendaten muss die Einsicht auf die in der konkreten Situation notwendigen Informationen beschränkt sein, es sei denn, die betroffene Person hat, als sie noch urteilsfähig war, einer vollständigen Akteneinsicht zugestimmt (mein Einschub: hier kann es also streitig (gemacht) werden, was notwendig ist und was nicht und damit kann es passieren, dass man in Daten nicht Einsicht erhält, deren Kenntnis man selbst für notwendig erachtet, die Gegenseite dies aber bestreitet). 

Der Zugang zu Auskünften über den Gesundheitszustand der urteilsunfähigen Partnerin oder des urteilsunfähigen Partners sowie das Recht, sie oder ihn zu besuchen, können sich als problematisch erweisen, wenn die Vertretung im medizinischen Bereich einer anderen Person anvertraut wurde, aber keine Hinweise zum konkreten Vorgehen in diesem Fall festgelegt wurden. Diesfalls entscheidet die mit der Vertretung betraute Person, wobei sie den (mutmasslichen) Willen der Patientin oder des Patienten zu berücksichtigen hat. Quelle: Bericht des Bundesrats über die rechtliche Stellung von Konkubinatspaaren

Weitere mögliche Probleme, wenn man nichts regelt, sondern sich „nur“ auf das Gesetz verlässt: es kann es sich auch als notwendig erweisen, an anderen Orten Einsicht zu erhalten, z.B. in der Pflegeeinrichtung, bei der Krankenkasse etc. Zwar hat man vielleicht einen Vorsorgeauftrag und vielleicht zusätzlich eine Generalvollmacht, aber das kann unter Umständen nicht genügen oder wird als ungenügend abgewiesen. 

Meine Lösung: 

Ich habe eine spezielle Vollmacht erstellt, ich nenne diese „Besuchs-, Auskunfts- und Einsichtsvollmacht“ beziehungsweise Medizinalvollmacht. Sie kann ebenfalls sehr nützlich sein. Einige Gründe: Sie müssen nicht beweisen, dass Sie überhaupt der Partner sind. Sie müssen nicht beweisen, dass die Information in der konkreten Situation notwendig ist (dahinter könnten sich Ärzte etc. zu verstecken versuchen…) Es besteht auf jeden Fall ein Einsichts-, Auskunfts- und Besuchsrecht, nicht nur in medizinischer, sondern auch anderer Hinsicht (z.B. Akteneinsicht in einer Pflegeeinrichtung).

Abschluss

Sie sehen, ein Vorsorgeauftrag ist ein wichtiger Teil, aber nur ein Teil des ganzen Vorsorgebereichs.

gian.pedolin@schweizer-rechtsanwalt.com
gian.pedolin@schweizer-rechtsanwalt.com
Artikel: 120