Rufen Sie an:
Nicht selten ist es so, dass, wenn ein Rechtsfall auf das Pult eines Rechtsanwalts kommt, der Sachverhalt schon mehr oder weniger fixiert ist.
Ein Sachverhalt, den eventuell der eine oder andere Beteiligte so gar nicht erlebt hat. Wie kann das kommen?
Ein Rechtsanwalt ist bekanntlich selten beim unmittelbaren Geschehen dabei.
Wird jemandem eine Verkehrsregelverletzung vorgeworfen, sieht er sich zuerst einmal meistens alleine einem von der Polizei vorgeworfenen Sachverhalt bzw. einer Sachverhaltsbehauptung gegenüber. Da heisst es dann beispielsweise, der Abstand des eigenen zum vorderen Fahrzeug habe nur gerade 8 m betragen. Oder man habe noch kurz vor Ende innerorts bereits auf 80 km/h beschleunigt. Oder aber, es hatte kein Kolonnenverkehr geherrscht und man sei deshalb unerlaubterweise rechts vorbeigefahren bzw. man habe unerlaubt rechts überholt oder aber der Fahrradfahrer sei zuerst im Kreisel gewesen usw.
Die Gerichte wiederum stützen sich meist auf die erste Aussage. Die ist meistens im Protokoll.
In der Nervosität und vor der Autorität der Polizei ist man also plötzlich in einer Situation, bei der ein Protokoll erstellt und dessen Unterzeichnung verlangt wird, gefärbt von der Ansicht des Polizisten, wie die Sache abgelaufen sein muss.
Oder man ist aufgrund des Vorfalls derart nervös und vertrauensvoll, dass man gar nicht schaut, was denn der Polizist aufschreibt was man unterschreibt. Da gibt es dann die schönsten Überraschungen, wenn der Rechtsanwalt die Akten bestelle und der Klient zum ersten Mal liest, was er denn eigentlich unterschrieben hat. Ja dann wird es auch für den besten Rechtsanwalt schwierig.
Mein Tipp deshalb an dieser Stelle entsprechend dem Motto, wisse immer was Du sagst, aber sage nicht immer, was Du weisst:
Schauen Sie und prüfen Sie ganz genau, was effektiv Eingang in das Protokoll bzw. die Handnotizen gefunden hat, bevor Sie etwas unterschreiben.
Bevor Sie etwas unterschreiben, versichern Sie sich, was Sie da genau unterschreiben und fragen Sie sich, wie dies eventuell später interpretiert werden könnte. Sollten Äusserungen von Ihnen fehlen oder Ihre Äusserungen nur sinngemäss und etwas in inhaltlich abgeänderter Form aufgeschrieben worden sein, bleiben Sie hart und verlangen Sie, dass das, was Sie sagen, aufgeschrieben wird. Es ist nämlich wortwörtlich zu protokollieren und nicht nur sinngemäss.
Wenn es zu Ihrem Nachteil aufgeschrieben wurde und die Polizei sich weigert, Ihre Aussage zu protokollieren, verweigern Sie die Unterschrift, eventuell unterschreiben Sie mit dem Vermerk „wird bestritten“
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
vor allem dann, wenn man später keine bösen Überraschungen will. Sie müssen deshalb genau kontrollieren und beobachten, wie sich die Polizei verhält, wie sie die Fragen stellt und worauf eventuell diese Fragen tendieren.
Oft ist es ja so, vor allem wenn man wie die Polizei immer wieder mit Unfallsituationen zu tun hat, dass die Polizei vor Ort gelangt, sich kurz einen Überblick verschafft und daraus relativ schnell Schlüsse zieht, wie etwas abgelaufen ist. Dies beinhaltet natürlich wiederum die Gefahr, dass die Fragen nicht offen gestellt werden von der Polizei, sondern – unbeabsichtigt natürlich – unter Umständen tendenziös und suggestiv. Sollte also eine Frage so gestellt werden, dass Sie diese nicht beantworten wollen oder können oder aus welcher Sie schliessen müssen, dass die Polizei schon nicht mehr objektiv die Sachverhaltssammlung herangeht, ist eine gute Möglichkeit die, dass man sagt, man habe die Frage nicht verstanden und ob man diese anders formulieren können. Das ist keine „Arbeitsverweigerung“ und Sie haben dann genügend Zeit, sich die Antwort zu überlegen und der Polizist muss sich überlegen, was er denn wirklich fragen will. Darüber hinaus können Sie sich immer auch auf das Aussageverweigerungsrecht berufen und nichts aussagen.
Im Zweifelsfall Aussageverweigerung
Wenn man nicht weiss, was man sagen soll, oder man sich nicht in der Lage fühlt, auszusagen oder der Polizist einem gegenüber voreingenommen erscheint, dann kann es ratsam sein, sein Aussageverweigerungsrecht geltend zu machen.
Dies stösst bei manchen Polizeikräften nicht auf willkommene Ohren. Sie wollen möglichst viel sofort an Ort und Stelle erfahren, um den Unfallbericht aufzunehmen und die spätere Arbeit zu erleichtern.
Einem Mandanten, der sich weigerte, den Vorwurf des zu ungenügenden Abstands unterschriftlich anzuerkennen, wurde in Aussicht gestellt, dass man ihn in diesem Fall auf die Wache nehme und er dann Stunden verliere und zu spät zur Arbeit erscheine. Unter diesem Druck hat er dann anerkannt, im Abstand von nur 8 m hinter dem vorderen Fahrzeug gefahren zu sein, was aus seiner Sicht aber nicht stimmte. Er wurde später auch vom Gericht von diesem Vorwurf freigesprochen, aber der Zeitaufwand war immens. Die Nachteile bei der Verurteilung wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln aber auch (mindestens 3 Monate Fahrverbot im Erstfall, im Wiederholungsfall noch viel mehr!)
Beziehung aufbauen
Zuerst einmal ist es aber sicher empfehlenswert, eine Art Beziehung zu dem Polizisten/der Polizistin aufzubauen. Versuchen Sie, nicht anbiedernd, sondern auf der gleichen Ebene gewisse Anknüpfungspunkte zu finden und der Polizei zu signalisieren, dass Sie an der Wahrheitsfindung ebenso interessiert sind wie Sie.
Immer alles dabei haben
Das Inaussichtstellen, jemanden unter erheblichem Zeitverlust auf die Polizeiwache mitzunehmen und so eine Drucksituation zu schaffen, kann man dadurch entgehen, dass man immer alle notwendigen Ausweise und Dokumente bei sich trägt.
Die Polizei braucht wie jede staatliche Behörde eine gesetzliche Grundlage
In § 15 Abs. 2 Polizeigesetz des Kanton Thurgau steht als gesetzliche Grundlage, dass die angehaltene Person auf den Polizeiposten geführt werden kann, wenn die Feststellung der Personalien an Ort und Stelle nicht möglich ist oder wenn der Verdacht besteht, dass die Angaben unrichtig sind. Etwas ähnlich ist es in § 21 des zürcherischen Polizeigesetzes geregelt. Im St. Gallischen Polizeigesetz habe ich eine solche Regelung nicht gefunden, es wird sogar auf das Recht verwiesen, dass auch die Angabe über die Personalien zum Aussageverweigerungsrecht gehört.
Fazit: Was tun, wenn die Polizei kommt
Jedenfalls ist es allein deshalb sicher immer wichtig, einen gültigen Pass oder eine gültige Identitätskarte und alle anderen nötigen Ausweispapiere immer bei sich zu haben, denn dann sind die Personalien zweifelsfrei festzustellen und besteht keine Grundlage für eine Mitnahme auf den Polizeiposten. Also in einem solchen Fall Personalien angeben und auf sein Aussageverweigerungsrecht im Übrigen hinweisen. Dann besteht kein Grund für eine Mitnahme und auch kein Druck, etwas zu unterschreiben, was man nicht möchte. Würde die Polizei Sie dann mitnehmen, riskierte sie selbst eine Anzeige.
Nachdem Sie ein Aussageverweigerungsrecht haben, sei gesagt, dass dazu gehört, hinsichtlich Sie entlastender Punkte auszusagen und belastender Fragen die Aussage zu verweigern. Auch so ein Vorgehen ist von der Polizei zu akzeptieren. Eine Formel, wie viel man vom Ganzen aussagen sollte, gibt es aber angesichts der Fülle der möglichen Fallkonstellationen nicht. Da ist es nicht selten schlecht, sich auf das Bauchgefühl zu verlassen.
Für das Verfahrensstadium im Strafverfahren ist das geregelt. Entscheidende Fragen und Antworten sind wörtlich zu protokollieren. So sieht es Art. 78 Abs. 3 der seit Anfang letzten Jahres geltenden schweizerischen Strafprozessordnung vor. Natürlich Gummiparagraph, denn was sind entscheidende Fragen und Antworten? Klar ist wiederum, dass bei der Protokollierung Suggestivfragen zu vermeiden sind. Ein Rettungsanker ist die Aussageverweigerung. Ob es am Ende aber besser war, die Aussage, wenn auch nicht wörtlich zu machen, oder die Aussage zu verweigern, ist nicht immer ganz zu entscheiden. Denn es besteht nun halt einmal, ich weiss ehrlich gesagt nicht, weshalb, der Generalverdacht, der Rechtsanwalt designe später praktisch den Sachverhalt, sodass er am besten für den Klienten, aber gleichzeitig weit weg von der damaligen Realität sei. Deshalb stützen sich die entscheidenden oder involvierten Stellen gerne auf den Inhalt der ersten Aussage, unter welchen Umständen diese auch immer entstanden ist. Fehlt eine erste Aussage, verursacht dies keine Sympathie. Manchmal gibt es halt einfach keine beste Lösung, sondern die die bessere aller schlechten Lösungen.
Bevor Sie etwas dann unterschreiben und quittieren, lesen Sie es sorgfältig durch. Fehlen Aussagen, beharren Sie darauf, dass dies noch aufgenommen wird.