Rufen Sie an:

Lesedauer: ca. 18 Minuten
Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt keine individuelle rechtliche oder medizinische Beratung. Stand: 30.10.2025
Ihr Ehemann liegt nach einem schweren Herzinfarkt bewusstlos auf der Intensivstation. Sie rufen im Spital an und möchten wissen, wie kritisch die Situation ist. Die Antwort des Arztes: „Ihr Mann ist nicht ansprechbar. Ich muss erst prüfen, ob Sie als Ehefrau vertretungsberechtigt sind. Leben Sie in einem gemeinsamen Haushalt? Haben Sie eine Vollmacht?“
Ihre Partnerin hatte einen schweren Motorradunfall und liegt im Koma. Sie sind seit 15 Jahren zusammen, aber nicht verheiratet. Sie möchten mit den Ärzten über die Behandlungsoptionen sprechen. Die Antwort: „Sind Sie verheiratet? Nein? Leben Sie in einem gemeinsamen Haushalt? Das müssen wir erst prüfen. Haben Sie eine schriftliche Vollmacht? Nein? Dann kann ich Ihnen jetzt keine Auskunft geben.“
Ihr erwachsener Sohn ist nach einem psychotischen Zusammenbruch in geschlossener psychiatrischer Behandlung. Er ist zwar ansprechbar, aber urteilsunfähig. Sie möchten ihn besuchen und mit den Ärzten sprechen. Die Antwort: „Ohne schriftliche Vollmacht oder Beistandschaft können wir Sie nicht einfach hereinlassen. Das ist eine geschlossene Abteilung. Und Auskunft dürfen wir auch nicht geben – Datenschutz.“
Das ist die Realität in Schweizer Spitälern und anderen Einrichtungen, wenn Sie nicht mehr selbst sprechen können.
Die Vollmacht als „Trumpf“: Eine wichtige Einordnung
Wie der Vorsorgeauftrag und die Generalvollmacht ist auch die Medizinalvollmacht ein „Trumpf“, den man in den guten Zeiten „sammelt“.
Denn ohne Trümpfe hat man unter Umständen gar keine Möglichkeit. Wenn Sie bewusstlos im Spital liegen und Ihre Familie keine Vollmacht vorweisen kann, stehen Ihre Angehörigen oft vor verschlossenen Türen. Keine Auskunft, keine Akteneinsicht, kein Besuch in geschlossenen Abteilungen.
Aber – und das ist entscheidend – auch bei einem Trumpf kann es sein, dass die Gegenseite einen besseren Trumpf hat oder sich dennoch weigert:
- Besserer Trumpf der Gegenseite: Zwingende gesetzliche Vorschriften (Epidemiengesetz, Sicherheitsvorschriften, behördliche Anordnungen) können Ihrer Vollmacht vorgehen.
- Verweigerung trotz Vollmacht: Institutionen können aus Übervorsichtigkeit, Unkenntnis oder bürokratischen Gründen die Anerkennung Ihrer Vollmacht verweigern oder verzögern.
Dennoch: Eine professionell erstellte, beglaubigte Vollmacht erhöht Ihre Chancen auf Auskunft, Einsicht und Besuchsrecht erheblich. Sie ist das wirksamste Instrument, das Sie haben.
Die Regel lautet: Sammeln Sie Ihre Trümpfe in guten Zeiten, solange Sie gesund und urteilsfähig sind. Wenn die Krise eintritt, ist es zu spät beziehungsweise kann es zu spät sein.
Das Grundproblem: Wenn die mündliche Entbindung nicht möglich ist
Normalfall: Sie können selbst entbinden
Wenn Sie bei Bewusstsein und urteilsfähig sind, ist alles einfach:
Der Arzt fragt Sie: „Darf ich Ihrer Frau (Ihrem Kind, Bruder, der Mutter, etc.) Auskunft geben?“ Sie antworten: „Ja, natürlich.“ → Problem gelöst. Die Schweigepflicht ist mündlich aufgehoben.
Sie brauchen in diesem Moment keine schriftliche Vollmacht.
Das Problem: Kritische Situationen, wo Sie nicht sprechen können
Die medizinische Vollmacht wird kritisch in folgenden Situationen:
1. Sie sind bewusstlos oder im Koma
- Nach Unfall, Herzinfarkt, Schlaganfall
- Während und nach Operationen
- Bei schweren Erkrankungen
→ Sie können die Ärzte nicht selbst entbinden.
2. Ihre Handlungsfähigkeit ist eingeschränkt
- Fürsorgerische Unterbringung in geschlossener Psychiatrie
- Akute Psychose – Sie sind zwar ansprechbar, aber urteilsunfähig
- Schwere Demenz – Ihre Äusserungen „zählen nicht“
- Schwere Depression mit Suizidgefahr – eingeschränkte Urteilsfähigkeit
- sehr starke Medikamente
- etc.
→ Ihre mündliche Entbindung wird möglicherweise als nicht wirksam beurteilt von den Ärzten usw.
3. Sie sind nicht erreichbar
- Im Ausland verunfallt
- Auf Reisen erkrankt
- Am falschen Ort zur falschen Zeit
→ Sie können nicht gefragt werden.
4. Vorsorge für die Zukunft
- Sie möchten heute schon regeln, wer Auskunft erhält
- Sie möchten nicht ständig neu gefragt werden
- Sie möchten auch für nach dem Tod Zugriff gewähren
→ Die Vollmacht regelt es ein für alle Mal.
In all diesen Situationen schützt die Schweigepflicht Ihre Privatsphäre – aber sie schliesst gleichzeitig Ihre Familie aus.
Die gesetzliche Lage: Wann haben Angehörige automatisch ein Recht?
Grundsatz: Schweigepflicht gilt gegenüber allen
Art. 321 StGB – Das ärztliche Berufsgeheimnis gilt absolut. Ärzte, Pflegepersonal, Spitäler dürfen niemandem ohne Ihre Zustimmung Auskunft geben – auch nicht Familienangehörigen.
Ausnahme: Art. 378 ZGB – Gesetzliches Vertretungsrecht bei Urteilsunfähigkeit
Wenn Sie urteilsunfähig sind (im Koma, bewusstlos, schwere Demenz, akute Psychose) und keine Patientenverfügung oder keinen Vorsorgeauftrag haben, greift eine gesetzliche Hierarchie:
Wer darf in welcher Reihenfolge informiert werden und für Sie entscheiden:
1. Beistand/Beiständin mit Vertretungsrecht in medizinischen Massnahmen
2. Ehegatte/Eingetragener Partner – aber nur wenn:
- Gemeinsamer Haushalt besteht ODER
- Regelmässiger persönlicher Beistand geleistet wird
3. Person im gemeinsamen Haushalt mit regelmässigem persönlichem Beistand (z.B. Konkubinatspartner)
4. Nachkommen mit regelmässigem persönlichem Beistand
5. Eltern mit regelmässigem persönlichem Beistand
6. Geschwister mit regelmässigem persönlichem Beistand
Die Probleme mit dem gesetzlichen Vertretungsrecht
Problem 1: Die Theorie vs. die Praxis im Spital
Die Theorie: Nach Art. 378 ZGB haben Ehepartner mit gemeinsamem Haushalt ein gesetzliches Vertretungsrecht.
Die Praxis im Spital:
- „Können Sie nachweisen, dass Sie in einem gemeinsamen Haushalt leben?“
- „Haben Sie eine Meldebescheinigung?“
- „Ihr Mann ist im Pflegeheim gemeldet – gilt das noch als gemeinsamer Haushalt?“
- „Aus Datenschutzgründen dürfen wir Ihnen nichts sagen, bevor wir das nicht geklärt haben.“
Das Problem: Spitäler und Ärzte sind extrem vorsichtig. Im Zweifel wird immer abgeblockt. Jede Unsicherheit führt zur Verweigerung.
Mit schriftlicher Vollmacht: Die Wahrscheinlichkeit steigt massiv, dass Sie sofort Auskunft erhalten. Aber Garantie gibt es auch hier nicht – manche Institutionen blockieren aus Übervorsicht auch mit Vollmacht.
Problem 2: Nachweis des „regelmässigen persönlichen Beistands“
Die Theorie: Auch ohne gemeinsamen Haushalt besteht ein Recht, wenn „regelmässiger persönlicher Beistand“ geleistet wird.
Die Praxis:
- „Was bedeutet regelmässig? Wie oft besuchen Sie Ihren Vater?“
- „Können Sie nachweisen, dass Sie ihm persönlich Beistand leisten?“
- „Wir müssen das erst prüfen. Das dauert ein paar Tage.“
Das Problem: Niemand weiss, was „regelmässig“ bedeutet. Wöchentlich? Monatlich? Und wie beweist man „persönlichen Beistand“?
Mit schriftlicher Vollmacht: Keine Diskussion über Interpretationen – aber auch hier kann es sein, dass die Institution zusätzliche Nachweise verlangt oder erst intern klären will.
Problem 3: Unverheiratete Paare
Die Theorie: Unverheiratete Partner mit gemeinsamem Haushalt sind auf Stufe 3 berechtigt.
Die Praxis:
- „Sind Sie verheiratet? Nein? Dann müssen wir erst prüfen…“
- „Leben Sie nachweislich in einem gemeinsamen Haushalt?“
- „Sind Sie in der Wohnung gemeldet? Beide?“
- „Das müssen wir erst mit unserer Rechtsabteilung klären.“
Das Problem: Spitäler scheuen unverheiratete Partner. Zu viele Unsicherheiten. Im Zweifel: Blockade.
Mit schriftlicher Vollmacht: Deutlich höhere Chance auf sofortige Anerkennung – aber nicht garantiert.
Problem 4: Nach dem Tod
Die Theorie: Das gesetzliche Vertretungsrecht endet mit dem Tod.
Die Praxis:
- „Ihr Vater ist verstorben. Wir dürfen Ihnen die Akten nicht geben.“
- „Für Akteneinsicht nach dem Tod brauchen Sie eine Vollmacht oder einen Erbschein.“
- „Das müssen Sie mit unserer Rechtsabteilung klären. Das kann Wochen dauern.“
Das Problem: Versicherungsansprüche, Aufklärung von Behandlungsfehlern – alles blockiert.
Mit Vollmacht, die über den Tod hinaus gilt: Deutlich bessere Chancen – aber auch hier können Institutionen zusätzliche Nachweise verlangen.
Warum Spitäler so restriktiv sind
Spitäler und Ärzte haben Angst vor:
- Datenschutzverletzungen
- Strafrechtlicher Verfolgung (Art. 321 StGB)
- Zivilrechtlichen Klagen
- Reputationsschäden
Deshalb gilt im Spitalalltag: Im Zweifel: NEIN.
- Unsicher, ob gemeinsamer Haushalt? → NEIN
- Unsicher, ob „regelmässiger Beistand“? → NEIN
- Unsicher, ob urteilsunfähig? → NEIN
- Keine schriftliche Vollmacht? → NEIN
- Vollmacht vorhanden, aber „sieht komisch aus“? → NEIN
Eine gut formulierte, klare Vollmacht reduziert diese Unsicherheit massiv – eliminiert sie aber nicht vollständig.
Was eine medizinische Vollmacht leistet – und was nicht
Was die Vollmacht KANN:
✅ Massiv höhere Wahrscheinlichkeit auf sofortige Auskunft
✅ Deutlich bessere Chancen auf Akteneinsicht
✅ Höhere Erfolgsquote beim Besuchsrecht
✅ Klare Rechtsgrundlage statt unklarer Hierarchien
✅ Weniger Diskussionen mit Spitälern und Ärzten
✅ Schnellerer Zugang in Notfallsituationen
✅ Rechtssicherheit für Ärzte (die deshalb eher Auskunft geben)
✅ Gilt auch nach dem Tod (wichtig für Versicherungsansprüche, Aufklärung)
Was die Vollmacht NICHT KANN:
❌ Keine 100%-Garantie auf sofortige Auskunft
❌ Kann zwingende gesetzliche Vorschriften nicht aufheben (Epidemiengesetz, Sicherheitsvorschriften)
❌ Kann übervorsichtige Institutionen dennoch nicht zwingen
❌ Kann Besuchsverbote aus zwingenden Gründen nicht aufheben
❌ Kann behördliche Anordnungen nicht überstimmen
Die Realität: Auch mit Vollmacht kann es Probleme geben
Trotz Vollmacht können Institutionen verweigern:
Mögliche Gründe für Verweigerung TROTZ Vollmacht:
1. Übervorsichtigkeit der Institution „Die Vollmacht sieht nicht offiziell genug aus. Wir müssen das erst mit unserer Rechtsabteilung klären.“
2. Unkenntnis des Personals „Eine solche Vollmacht kenne ich nicht. Ich muss erst meinen Vorgesetzten fragen.“
3. Zweifelhaftes Alter der Vollmacht „Die Vollmacht ist von 2010. Ist die noch gültig? Wir müssen das prüfen.“
4. Zweifel an der Echtheit „Können Sie nachweisen, dass das wirklich die Unterschrift des Patienten ist?“
5. Zwingende gesetzliche Vorschriften „Wir haben hier Epidemiengesetz / Sicherheitsvorschriften / Anordnung der Behörde. Das geht über Ihre Vollmacht hinaus.“
Was dann?
- Ruhe bewahren
- Auf die Vollmacht verweisen
- Um Kontakt mit Rechtsabteilung / Vorgesetzten bitten
- Kopie der Vollmacht dalassen
- Bei anhaltender Verweigerung: Schriftliche Begründung verlangen
- Gegebenenfalls: Anwalt einschalten
Dennoch: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie MIT Vollmacht Auskunft/Einsicht/Besuch erhalten, ist erheblich höher als ohne.
Besuchsrecht – Die besonderen Grenzen
Warum Besuchsrecht am schwierigsten ist
Während Auskunft und Einsicht „nur“ eine Information betreffen, bedeutet Besuchsrecht physischen Zutritt zu geschützten Bereichen. Hier gibt es zwingende gesetzliche Vorschriften, die keine Vollmacht der Welt aufheben kann.
Zwingende gesetzliche Einschränkungen beim Besuchsrecht
Es gibt Situationen, wo NIEMAND besuchen darf – auch nicht mit Vollmacht:
1. Epidemiengesetz (SR 818.101) Bei hochansteckenden Krankheiten können Behörden absolutes Besuchsverbot anordnen:
- COVID-19 in Pandemiezeiten (Lockdowns)
- Ebola, SARS, andere hochgefährliche Erreger
- Tuberkulose in akuter Phase
- Andere meldepflichtige übertragbare Krankheiten
→ Diese Verbote gehen der Vollmacht vor. Sie schützen die öffentliche Gesundheit.
2. Sicherheitsvorschriften in Justizvollzugsanstalten Bei Gefängniskrankenstationen gelten zwingende Sicherheitsbestimmungen:
- Besuchszeiten streng limitiert
- Sicherheitsprüfungen erforderlich
- Bestimmte Personen können aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen werden
→ Die Vollmacht gibt KEIN automatisches Recht, diese Sicherheitsvorschriften zu umgehen.
3. Akute Gefährdungssituationen Wenn ein Patient sich selbst oder andere akut gefährdet:
- Akute Gewaltbereitschaft
- Suizidale Handlungen im Gang
- Hochgradige Erregung
→ Besuchsverbot aus medizinischen Gründen – schützt Patient und Besucher.
4. Während medizinischer Eingriffe
- Während Operationen
- Während Reanimationen
- Während bestimmter Untersuchungen
→ Medizinisch notwendige Einschränkungen.
5. Behördliche Anordnungen KESB oder Gericht können in Einzelfällen Besuchsverbote anordnen:
- Zum Schutz des Patienten vor bestimmten Personen
- Bei Verdacht auf Missbrauch
- Bei Interessenkonflikten
→ Diese Anordnungen gehen der Vollmacht vor.
Was die Vollmacht beim Besuchsrecht trotzdem leistet
Trotz dieser Einschränkungen ist die Vollmacht beim Besuchsrecht sehr wertvoll:
✅ Erhöht massiv die Wahrscheinlichkeit auf Zutritt zu geschlossenen Abteilungen
✅ Vereinfacht Zugang zu Intensivstationen
✅ Schafft klare Rechtsgrundlage
✅ Reduziert Diskussionen mit Personal
✅ Ermöglicht Besuch auch ausserhalb normaler Besuchszeiten (wenn medizinisch vertretbar)
Aber: Bei zwingenden gesetzlichen Vorschriften stösst auch die beste Vollmacht an Grenzen.
Auskunftsrecht und Einsichtsrecht – Höhere Erfolgsquote
Auskunftsrecht – Die höchste Erfolgsquote
Ohne Vollmacht: geringe Erfolgsquote
Mit Vollmacht: erhöhte Erfolgsquote
Umfassende Auskunft über:
- Alle medizinischen Informationen (Diagnosen, Behandlungen, Prognosen)
- Besonders schützenswerte Personendaten (Gesundheit, Intimsphäre, Genetik)
- Psychologische und psychiatrische Informationen
- Gesundheitsbezogene rechtliche Dokumente (Polizeiberichte, Gerichtsakten)
- Versicherungsangelegenheiten
Formen der Auskunft:
- Telefonisch
- Schriftlich (Post, E-Mail, Download-Link)
- Persönlich
Einsichtsrecht – Fast so erfolgreich wie Auskunft
Ohne Vollmacht: geringe Erfolgsquote
Mit Vollmacht: erhöhte Erfolgsquote
Vollständige Einsicht in:
- Krankenakten und alle medizinischen Dokumente
- Bildgebende Verfahren (Röntgen, CT, MRI)
- Laborergebnisse
- Psychologische/Psychiatrische Dokumentation
- Gesundheitsbezogene rechtliche Dokumente
- Versicherungsdokumentation
Warum wichtig:
- Zweitmeinungen einholen
- Medizinische Fehler erkennen
- Rechtliche Schritte vorbereiten
- Nach dem Tod: Versicherungsansprüche, Aufklärung
Warum kann Auskunft/Einsicht trotz Vollmacht verweigert werden?
Mögliche Gründe (selten, aber möglich):
1. Übervorsichtigkeit „Wir müssen das erst mit der Rechtsabteilung klären.“
2. Veraltete Vollmacht „Die Vollmacht ist von 2005. Ist die noch gültig?“
3. Zweifel an Echtheit „Können Sie nachweisen, dass das die Unterschrift des Patienten ist?“
4. Unklare Formulierung „In der Vollmacht steht nur ‚medizinische Auskunft‘. Darf ich auch über Versicherungen sprechen?“
Was dann?
- Ruhe bewahren
- Auf Vollmacht verweisen
- Kopie dalassen
- Um schriftliche Begründung bitten
- Bei anhaltender Verweigerung: Rechtsberatung
Die umfassende Entbindung – Alle Schweigepflichten aufheben
Welche Schweigepflichten werden aufgehoben?
Eine medizinische Vollmacht entbindet von allen gesetzlichen Schweigepflichten im Gesundheitsbereich:
Medizinischer Bereich:
- Ärztinnen und Ärzte (Art. 321 StGB)
- Spitäler und Kliniken
- Pflegeheime und Altersheime
- Pflegeeinrichtungen und Spitex
- Apotheken, Labors
- Alle Gesundheitsfachpersonen
Versicherungen im Gesundheitsbereich:
- Krankenversicherungen
- Unfallversicherungen
- Haftpflichtversicherungen (bei Personenschäden)
- Invalidenversicherung
Behörden im Gesundheitskontext:
- KESB
- Gerichte (bei gesundheitsbezogenen Verfahren)
- Polizei (bei Unfällen mit Verletzungen)
- Staatsanwaltschaft
- Gesundheitsbehörden
Aufgehobene Gesetze:
✅ Ärztliches Berufsgeheimnis (Art. 321 StGB)
✅ Datenschutzgesetz (DSG)
✅ Versicherungsgesetz (VVG)
✅ Öffentlich-rechtliche Schweigepflichten
✅ Alle anderen Geheimhaltungspflichten im Gesundheitswesen
Was NICHT in die Medizinalvollmacht gehört
Wichtig: Die medizinische Vollmacht regelt NUR Gesundheitsangelegenheiten.
Für folgende (nicht abschliessend genannten) Bereiche brauchen Sie SEPARATE Dokumente:
❌ Banken – Bankvollmacht oder Vorsorgeauftrag
❌ Treuhandgesellschaften – Separate Vollmacht
❌ Immobilien – Separate Vollmacht oder Vorsorgeauftrag
❌ Geschäftliche Angelegenheiten – Separate Vollmacht
Vertretungsrecht – Die Notlösung
Wann relevant?
Nur wenn:
- Sie urteilsunfähig sind UND
- Sie keine Patientenverfügung haben
Die Vertretung ist eine Notlösung – nicht der Hauptzweck der Vollmacht.
Patientenverfügung ist besser
Problem mit Vertretung: Die Person muss raten, was Sie wollen würden.
Lösung Patientenverfügung: Sie legen selbst fest, was Sie wollen.
Empfehlung: Erstellen Sie beide Dokumente:
- Medizinalvollmacht (Auskunft, Einsicht, Besuch, Notfall-Vertretung)
- Patientenverfügung (konkrete Behandlungswünsche)
Wem erteilen Sie die Vollmacht?
Für Auskunft, Einsicht und Besuch: Mehrere Personen
Empfehlung: Mehrere Personen benennen:
- Partner/in
- Erwachsene Kinder
- Gegebenenfalls Geschwister oder enge Freunde
Warum?
- Immer ist jemand verfügbar
- Gegenseitige Unterstützung
- Weniger Misstrauen
Für Vertretung: Klare Hierarchie
Empfohlen:
- Primär: Partner/in
- Sekundär: Kinder gemeinsam
- Subsidiär: Ein Kind allein (Notfall-Backup)
- Rechenschaftspflicht: Kontrolle durch primäre Person
Ich habe die Risiken nur sehr kurz angeschnitten, aber kein ausführliches Kapitel dazu. Hier ist ein isoliertes Kapitel über die Risiken:
Die Kehrseite: Risiken und ungewollte Folgen der medizinischen Vollmacht
Das grundsätzliche Dilemma
Eine medizinische Vollmacht ist umfassend – das ist ihre Stärke, aber auch ihre Schwäche.
Die Stärke: Keine Diskussionen, keine Einschränkungen, vollständige Information im Notfall.
Die Schwäche: Die bevollmächtigte Person erfährt ALLES – auch Dinge, die Sie vielleicht lieber für sich behalten hätten.
Das Dilemma:
- Zu restriktiv → Im Notfall nützt die Vollmacht nichts
- Zu umfassend → Ihre Privatsphäre wird komplett aufgehoben
Was die bevollmächtigte Person WIRKLICH erfährt
Wenn Sie eine umfassende medizinische Vollmacht erteilen, erhält die bevollmächtigte Person Zugang zu:
1. Genetische Daten – mit Folgen für Ihre Kinder
Was erfährt die Person:
- Ihre genetische Veranlagung für Erbkrankheiten (Huntington, erblicher Brustkrebs, etc.)
- Genetische Tests, die Sie gemacht haben
- Erbliche Dispositionen für Demenz, Herzerkrankungen, etc.
Das Problem: Ihre genetischen Daten betreffen nicht nur Sie – sie geben Rückschlüsse auf Ihre Kinder, Geschwister, Eltern.
Konkretes Szenario: Sie haben sich auf das Huntington-Gen testen lassen (positiv). Sie haben sich bewusst entschieden, Ihren erwachsenen Kindern das NICHT zu sagen – sie sollen selbst entscheiden, ob sie sich testen lassen wollen.
Mit Vollmacht: Ihre Ehefrau erfährt von der Huntington-Diagnose. Sie erzählt es Ihren Kindern. Die Kinder wissen nun, dass sie ein 50%-Risiko haben – ob sie es wissen wollten oder nicht.
Ihre bewusste Entscheidung wurde durchbrochen.
2. Psychiatrische Diagnosen – das Stigma
Was erfährt die Person:
- Alle psychiatrischen Diagnosen (Depression, Schizophrenie, bipolare Störung, Borderline)
- Medikamente (Antidepressiva, Antipsychotika, Lithium)
- Anzahl und Dauer von Klinikaufenthalten
- Suizidversuche in der Vergangenheit
- Zwangseinweisungen
Das Problem: Psychiatrische Diagnosen sind in vielen Familien noch immer ein Tabu. Sie werden anders behandelt, wenn bekannt wird, dass Sie „psychisch krank“ sind.
Konkretes Szenario: Sie hatten in jungen Jahren eine schwere Depression mit Suizidversuch. Sie haben sich erholt, arbeiten erfolgreich, niemand in der Familie weiss davon – ausser Ihr Partner.
Mit Vollmacht an mehrere Kinder: Nach einem Unfall erhalten alle Kinder Zugriff auf Ihre vollständige Krankenakte. Sie erfahren von der Depression und dem Suizidversuch. Ihr Verhältnis zu Ihnen ändert sich. Sie werden nun als „fragil“ behandelt.
Ihre Privatsphäre wurde durchbrochen.
3. HIV-Status und sexuell übertragbare Krankheiten
Was erfährt die Person:
- HIV-Status (positiv/negativ)
- Andere sexuell übertragbare Krankheiten (Syphilis, Gonorrhö, Herpes)
- Hepatitis B/C
- Behandlungen und Medikamente
Das Problem: Diese Informationen geben Rückschlüsse auf Ihr Sexualleben, Ihre Vergangenheit, möglicherweise Untreue.
Konkretes Szenario: Sie hatten vor 20 Jahren, vor Ihrer Ehe, eine Hepatitis-C-Infektion (Drogenmissbrauch in der Jugend). Sie wurden erfolgreich behandelt, niemand in der Familie weiss davon.
Mit Vollmacht an Ihre Kinder: Nach einem Unfall erfahren Ihre Kinder von der Hepatitis-C-Behandlung. Sie fragen sich: Wie hat Papa sich das geholt? Drogen? Untreue? Das Bild, das sie von Ihnen hatten, bricht zusammen.
Ihre Vergangenheit wurde offenbart.
4. Suchterkrankungen – aktuell oder überwunden
Was erfährt die Person:
- Alkoholabhängigkeit (auch wenn überwunden)
- Drogenabhängigkeit (Cannabis, Kokain, Opiate)
- Medikamentenabhängigkeit (Benzodiazepine, Opioide)
- Entzugstherapien
- Rückfälle
Das Problem: Auch überwundene Suchterkrankungen haften Ihnen an. Familie behandelt Sie anders, wenn sie davon wissen.
Konkretes Szenario: Sie waren vor 15 Jahren alkoholabhängig, haben erfolgreich eine Therapie gemacht, sind seit 15 Jahren trocken. Niemand in der Familie weiss davon – Sie haben nach der Therapie neu angefangen.
Mit Vollmacht an Geschwister: Nach einem Unfall erfahren Ihre Geschwister von der Alkoholtherapie. Bei jedem Familientreffen werden Sie nun kritisch beäugt. „Trinkst du jetzt wieder?“ Misstrauen.
Ihre zweite Chance wurde untergraben.
5. Reproduktive Gesundheit – sehr persönlich
Was erfährt die Person:
- Unfruchtbarkeit und Behandlungen (IVF, Samenspende, Eizellspende)
- Schwangerschaftsabbrüche
- Fehlgeburten
- Sterilisation
- Erektionsstörungen, Behandlungen
- Geschlechtskrankheiten
Das Problem: Diese Informationen sind höchst intim. Selbst engste Familienangehörige möchten Sie vielleicht nicht darüber informieren.
Konkretes Szenario (Frau): Sie hatten mit 19 Jahren einen Schwangerschaftsabbruch. Sie haben Ihrem Ehemann davon erzählt, aber nicht Ihren erwachsenen Kindern.
Mit Vollmacht an Ihre Kinder: Nach einem Unfall erhalten Ihre Kinder Einsicht in Ihre vollständige Krankenakte. Sie erfahren vom Abbruch. Ihre Tochter, streng katholisch, ist schockiert. Das Verhältnis verschlechtert sich.
Ihre Intimsphäre wurde verletzt.
6. Informationen über Dritte
Was erfährt die Person:
- In psychiatrischen Akten: Aussagen über Familienmitglieder („Mein Vater hat mich misshandelt“, „Meine Mutter war Alkoholikerin“)
- In Paartherapien: Aussagen über den Partner
- In Therapiesitzungen: Negative Aussagen über Kinder, Geschwister
Das Problem: Ihre ehrlichen Aussagen in Therapien können Beziehungen zerstören, wenn andere davon erfahren.
Konkretes Szenario: Sie waren in Therapie wegen Depressionen. In den Therapiegesprächen haben Sie oft über die schwierige Beziehung zu Ihrer Mutter gesprochen („kalt, abweisend, nie für mich da gewesen“).
Mit Vollmacht an Ihre Schwester: Nach einem Unfall erhält Ihre Schwester Einsicht in die Therapiedokumente. Sie liest Ihre Aussagen über die gemeinsame Mutter. Sie ist verletzt und wütend. Sie sieht das völlig anders. Familienstreit.
Ihre therapeutischen Äusserungen wurden gegen Sie verwendet.
Wie häufig sind solche Situationen?
Realistisch betrachtet:
Diese Risiken treten nicht in jedem Fall auf, aber sie sind nicht selten:
- Bei ca. 20-30% der Menschen gibt es sensible Informationen in der Krankenakte, die sie nicht allen Familienmitgliedern offenbaren möchten
- Bei ca. 10-15% gibt es hochsensible Informationen (HIV, Psychiatrie, Sucht, Genetik), die erhebliche Folgen haben können, wenn sie bekannt werden
- Bei ca. 5% führt die Offenbarung tatsächlich zu Familienstreitigkeiten oder dauerhaften Beziehungsschäden
Das Risiko ist also real.
Die Abwägung: Transparenz vs. Privatsphäre
Das Grundproblem:
Im Notfall brauchen Ihre Angehörigen vollständige Information, um gute Entscheidungen zu treffen.
Beispiel: Sie liegen im Koma. Die Ärzte müssen entscheiden, welche Medikamente sie geben. Ihre frühere Hepatitis-C-Infektion ist relevant – bestimmte Medikamente sind bei Leberschäden kontraindiziert. Wenn Ihre Angehörigen nichts davon wissen, können sie das nicht mitteilen. Gefahr für Ihr Leben.
ABER: Wenn Sie überleben, müssen Sie mit den Folgen leben, dass nun alle Ihre Geheimnisse kennen.
Die Abwägung:
- Vollständige Transparenz → Bessere medizinische Versorgung, aber Verlust der Privatsphäre
- Eingeschränkte Vollmacht → Privatsphäre gewahrt, aber im Notfall fehlen wichtige Informationen
Es gibt keine perfekte Lösung.
Lösungsansätze: Wie Sie die Risiken minimieren können
Lösung 1: Selektive Entbindung – nur bestimmte Bereiche
Sie können die Vollmacht einschränken:
„Die Entbindung umfasst alle medizinischen Informationen, mit Ausnahme von:
- Psychiatrischen Diagnosen und Behandlungen
- Genetischen Daten
- Reproduktiver Gesundheit
- [weitere Ausnahmen]“
Vorteil: Ihre sensibelsten Geheimnisse bleiben geschützt.
Nachteil: Im Notfall fehlen möglicherweise wichtige Informationen. Ärzte dürfen diese Bereiche nicht offenlegen – auch wenn es medizinisch relevant wäre.
Lösung 2: Gestufte Vollmacht – verschiedene Personen, verschiedene Rechte
Sie können unterscheiden:
- Person A (Ehepartner): Vollständige Entbindung inkl. aller sensiblen Bereiche
- Person B (Kinder): Entbindung nur für somatische (körperliche) Medizin, ausgenommen Psychiatrie, Genetik, reproduktive Gesundheit
- Person C (Geschwister): Nur Besuchsrecht, keine Akteneinsicht
Vorteil: Feine Abstufung möglich. Nur die engste Vertrauensperson erfährt alles.
Nachteil: Komplexer. Im Notfall könnten Kinder bei Person A nachfragen und es so doch erfahren.
Lösung 3: Separate Dokumente für sensible Bereiche
Sie können zwei Vollmachten erstellen:
- Allgemeine Medizinalvollmacht: Für somatische Medizin (Herz, Lunge, Unfall, etc.)
- Spezielle Vollmacht für sensible Bereiche: Nur für Psychiatrie/Genetik/etc., nur an eine einzige, sehr vertraute Person
Vorteil: Klare Trennung. Sensible Bereiche nur für eine Person zugänglich.
Nachteil: Komplexer in der Handhabung. Beide Dokumente müssen vorhanden sein.
Lösung 4: Zeitlich befristete Einschränkung
Sie können formulieren:
„Psychiatrische und genetische Daten dürfen nur offenbart werden, wenn sie für die aktuelle Behandlungssituation unmittelbar medizinisch relevant sind.“
Vorteil: Im Notfall werden relevante Informationen weitergegeben, aber nicht einfach „aus Neugier“ die gesamte Akte durchforstet.
Nachteil: Interpretationsspielraum. Wer entscheidet, was „unmittelbar relevant“ ist?
Lösung 5: Vertrauensperson als „Filter“
Sie können eine Vertrauensperson (z.B. Ihren Hausarzt) als Filter einsetzen:
„Die vollständigen Krankenakten werden zunächst an Dr. [Hausarzt] übermittelt. Dieser entscheidet, welche Informationen für die aktuelle Behandlung relevant sind und gibt nur diese an die bevollmächtigten Angehörigen weiter.“
Vorteil: Professioneller Filter. Ihre Geheimnisse werden nur offenbart, wenn medizinisch notwendig.
Nachteil: Abhängig von der Verfügbarkeit und dem Urteil des Hausarztes. Was wenn der Hausarzt im Urlaub ist?
Empfehlung für die Praxis
1. Überlegen Sie genau, wem Sie vertrauen
Nicht jedes Familienmitglied muss alles wissen. Selektieren Sie sorgfältig.
2. Besprechen Sie sensible Bereiche mit dem Notar/Anwalt
Ein guter Notar fragt Sie explizit:
- „Gibt es Bereiche, die Sie ausschliessen möchten?“
- „Haben Sie genetische Tests gemacht, die nicht alle erfahren sollen?“
- „Gibt es psychiatrische Behandlungen in Ihrer Vergangenheit?“
3. Erwägen Sie gestufte Vollmachten
Ehepartner: Vollständig Kinder: Eingeschränkt (ohne Psychiatrie/Genetik) Weitere: Nur Besuchsrecht
4. Dokumentieren Sie Ihre Beweggründe
Schreiben Sie in einem separaten Brief (nicht Teil der Vollmacht) Ihre Beweggründe auf. Falls die bevollmächtigte Person auf Einschränkungen stösst, versteht sie, warum.
5. Akzeptieren Sie, dass es keine perfekte Lösung gibt
Entweder: Vollständige Transparenz (optimal für medizinische Versorgung, aber Verlust der Privatsphäre) Oder: Einschränkungen (Privatsphäre gewahrt, aber möglicherweise fehlende Informationen im Notfall)
Die meisten Menschen wählen: Vollständige Transparenz für eine einzige, sehr vertraute Person (Ehepartner) + eingeschränkte Vollmachten für weitere Personen (Kinder).
Besondere Situationen
Patchwork-Familien
Besonders heikel: Neue Partnerin vs. erwachsene Kinder aus erster Ehe.
Problem: Die neue Partnerin erfährt durch die Vollmacht Dinge über Ihre Vergangenheit (erste Ehe, Krankheiten damals), die Sie ihr vielleicht nicht erzählt haben.
Lösung: Sehr sorgfältig überlegen, wer was erfahren soll. Gegebenenfalls gestufte Vollmachten.
Kinder, die nicht wissen, dass sie nicht Ihre leiblichen Kinder sind
Besonders heikel: Genetische Daten können offenbaren, dass ein Kind nicht leiblich ist.
Problem: DNA-Tests, genetische Dispositionen – können Rückschlüsse ermöglichen.
Lösung: Genetische Daten komplett ausschliessen von der Vollmacht an Kinder. Nur Ehepartner erhält Zugang.
Homosexualität, die nicht allen bekannt ist
Besonders heikel: Sie sind homosexuell, aber nicht geoutet in der Familie.
Problem: Krankenakte enthält Hinweise (Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten, Gespräche mit Ärzten, HIV-Prophylaxe).
Lösung: Sehr sorgfältig auswählen, wer vollständigen Zugang erhält.
Fazit zu den Risiken
Die medizinische Vollmacht ist ein zweischneidiges Schwert:
✅ Im Notfall: Lebensrettend, weil Angehörige schnell handeln können
❌ Nach dem Notfall: Möglicherweise zerstörte Privatsphäre und belastete Beziehungen
Die Empfehlung:
- Seien Sie sich der Risiken bewusst
- Besprechen Sie sensible Bereiche mit dem Notar
- Erwägen Sie Einschränkungen oder gestufte Vollmachten
- Wählen Sie Vertrauenspersonen sehr sorgfältig aus
- Akzeptieren Sie, dass im Notfall Privatsphäre zweitrangig ist – Ihr Leben steht im Vordergrund
Im Zweifel gilt: Lieber eine umfassende Vollmacht (die im Notfall Leben retten kann) als eine zu restriktive Vollmacht (die im Notfall nichts nützt). Aber die Entscheidung muss Ihre bewusste Entscheidung sein.
Professionelle Erstellung: Warum fachliche Beratung unverzichtbar ist
Warum nicht selbst erstellen?
Eine medizinische Vollmacht ist juristisch komplex.
Kritische Punkte, die ein Notar/Anwalt beachtet:
- Umfassende Entbindung von allen Schweigepflichten
- Präzise Formulierung des Umfangs
- Klare Regelung bei mehreren Personen
- Hierarchien und Reihenfolgen
- Rechenschaftspflichten
- Gültigkeit auch nach dem Tod
- Umgang mit sensiblen Bereichen
- Rechtssichere Formulierungen
Häufige Fehler bei selbst erstellten Vollmachten:
- ❌ Unvollständige Entbindung (nur Ärzte, nicht auch Versicherungen/Behörden)
- ❌ Unklare Formulierungen
- ❌ Fehlende Hierarchien bei Vertretung
- ❌ Keine Regelung für nach dem Tod
- ❌ Keine Einschränkungen bei zwingenden Vorschriften erwähnt
Folge: Die Vollmacht wird angezweifelt oder nicht akzeptiert.
Vorteile professioneller Erstellung
Bei notarieller oder anwaltlicher Erstellung:
✅ Rechtssicherheit – alle relevanten Punkte abgedeckt
✅ Präzise Formulierungen – keine Interpretationsspielräume
✅ Beglaubigung – deutlich höhere Akzeptanz bei Institutionen
✅ Individuelle Anpassung – auf Ihre spezielle Situation zugeschnitten
✅ Kombination mit anderen Dokumenten – Patientenverfügung, Vorsorgeauftrag
✅ Beratung zu sensiblen Bereichen – was ausschliessen, was nicht?
✅ Rechtliche Prüfung – vermeidet Fehler, die zum Scheitern führen
Was eine professionelle Beratung umfasst
1. Analyse Ihrer Situation
- Familienstand (verheiratet, unverheiratet, geschieden?)
- Familienverhältnisse (einfach, komplex, Patchwork?)
- Gesundheitszustand
- Sensible Bereiche (Psychiatrie, Genetik?)
2. Beratung zum Umfang
- Wer soll was erfahren dürfen?
- Hierarchien bei Vertretung
- Rechenschaftspflichten
- Einschränkungen bei sensiblen Daten
3. Koordination mit anderen Dokumenten
- Patientenverfügung
- Vorsorgeauftrag
- Separate Bankvollmacht
4. Professionelle Formulierung Eine gut formulierte Vollmacht erfüllt alle rechtlichen Anforderungen und wird von Institutionen eher akzeptiert.
5. Beglaubigung
- Durch Notar oder Urkundsperson
- Erhöht Akzeptanz bei Institutionen erheblich
6. Hinterlegung und Verteilung
- Beratung, wo Kopien hinterlegt werden sollten
- Notfallausweis erstellen
- Hausarzt informieren
Kosten vs. Nutzen
Kosten für professionelle Erstellung:
- Anwaltliche Beratung und Erstellung: nach Aufwand zu Stundenansatz von CHF 300.00 plus Auslagen und MWST
- Notarielle Erstellung und Beglaubigung: ca. CHF 30.00 – 50.00
Nutzen:
- ✅ Deutlich höhere Akzeptanz bei Institutionen
- ✅ Weniger Diskussionen und Verzögerungen
- ✅ Keine rechtlichen Fehler, die zum Scheitern führen
- ✅ Rechtssicherheit für alle Beteiligten
- ✅ Seelenfrieden
Praktische Schritte
Schritt 1: Professionelle Hilfe kontaktieren
Kontaktieren Sie einen Notar oder Anwalt, der auf Vorsorgerecht spezialisiert ist.
Schritt 2: Vorbereitung
Überlegen Sie sich vorher:
- Wem vertrauen Sie?
- Wer soll was erfahren dürfen?
- Gibt es sensible Bereiche?
- Wie soll die Hierarchie bei Vertretung aussehen?
Schritt 3: Beratungsgespräch
Im Gespräch werden geklärt:
- Ihre individuelle Situation
- Ihre Wünsche und Prioritäten
- Die rechtlichen Möglichkeiten
- Die optimale Gestaltung der Vollmacht
Schritt 4: Erstellung und Beglaubigung
Der Notar/Anwalt erstellt die Vollmacht professionell, rechtssicher und lässt sie beglaubigen.
Schritt 5: Verteilung
Kopien verteilen an:
- ✅ Alle bevollmächtigten Personen
- ✅ Ihren Hausarzt (sehr wichtig!)
- ✅ Ihre Krankenversicherung
- ✅ Digital auf Smartphone
Notfallausweis erstellen: Karte fürs Portemonnaie mit Hinweis auf Vollmacht und Kontaktdaten.
Schritt 6: Regelmässige Überprüfung
Alle 5 Jahre oder nach einschneidenden Lebensereignissen überprüfen und gegebenenfalls aktualisieren.
Was tun, wenn trotz Vollmacht verweigert wird?
Schritt-für-Schritt bei Verweigerung
1. Ruhe bewahren
2. Vollmacht vorzeigen Klare, beglaubigte Kopie übergeben.
3. Auf Rechtsgrundlage hinweisen „Diese Vollmacht entbindet Sie vom Berufsgeheimnis. Sie sind rechtlich befugt, mir Auskunft zu geben.“
4. Nach Vorgesetztem fragen „Können Sie bitte Ihren Vorgesetzten / die Rechtsabteilung kontaktieren?“
5. Kopie dalassen „Ich lasse Ihnen diese Kopie da. Bitte prüfen Sie das intern.“
6. Schriftliche Begründung verlangen „Falls Sie die Auskunft/den Besuch verweigern, bitte ich um eine schriftliche Begründung.“
7. Dokumentieren Datum, Uhrzeit, Name der Person notieren.
8. Eskalieren
- Spitalleitung kontaktieren
- Ombudsstelle einschalten
- Anwalt kontaktieren
9. Prüfen: Zwingende gesetzliche Gründe?
- Epidemiengesetz?
- Sicherheitsvorschriften?
- Behördliche Anordnung?
→ Dann akzeptieren. Diese Vorschriften gehen vor.
Aber: Bei Übervorsichtigkeit oder Unkenntnis – durchsetzen!
Häufige Fehler
❌ Fehler 1: Unrealistische Erwartungen
Problem: Vollmacht als Garantie verstehen.
Lösung: Realistische Erwartungen. Vollmacht erhöht Wahrscheinlichkeit massiv, garantiert aber nichts.
❌ Fehler 2: Selbst erstellen
Problem: Fehlerhafte Formulierungen, unvollständige Entbindung.
Lösung: Professionelle Erstellung durch Notar/Anwalt.
❌ Fehler 3: Keine Beglaubigung
Problem: Erhöht Zweifel an Echtheit.
Lösung: Beglaubigung durch Notar.
❌ Fehler 4: Vollmacht nicht verteilt
Problem: Nutzt nichts, wenn niemand sie findet.
Lösung: Kopien an alle, Hausarzt informieren, Notfallausweis, digital auf Smartphone.
❌ Fehler 5: Keine Aktualisierung
Problem: Veraltete Vollmacht wird eher angezweifelt.
Lösung: Alle 5 Jahre überprüfen.
❌ Fehler 6: Nach Scheidung nicht widerrufen
Problem: Ex-Partner hat weiterhin alle Rechte.
Lösung: Sofort widerrufen, neu erstellen, alle informieren.
Checkliste: Ihre Vollmacht erstellen
✅ Medizinische Vollmacht
- [ ] Professionelle Beratung durch Notar/Anwalt
- [ ] Vollmacht erstellen lassen
- [ ] Beglaubigen lassen (sehr wichtig!)
- [ ] Originale oder beglaubigte Kopien an alle Bevollmächtigten
- [ ] Kopie beim Hausarzt hinterlegen
- [ ] Krankenversicherung informieren
- [ ] Digital auf Smartphone
- [ ] Notfallausweis erstellen
✅ Weitere wichtige Dokumente
- [ ] Patientenverfügung (für Behandlungswünsche)
- [ ] Vorsorgeauftrag (für umfassende Vertretung inkl. Vermögen)
- [ ] Separate Bankvollmacht
- [ ] Organspende-Entscheidung
✅ Regelmässige Überprüfung
- [ ] Termin in 5 Jahren setzen
- [ ] Nach Scheidung/Trennung sofort überprüfen
- [ ] Nach Tod einer bevollmächtigten Person überprüfen
Fazit: Vorsorge für den Moment, wo Sie nicht mehr selbst sprechen können
Die wichtigsten Punkte zusammengefasst
1. Die Vollmacht ist Ihre beste Vorsorge
Wie der Vorsorgeauftrag und die Generalvollmacht ist auch die Medizinalvollmacht ein wichtiges Vorsorgedokument, das Sie in guten Zeiten erstellen sollten.
Mit Vollmacht:
- Höhere Wahrscheinlichkeit auf Auskunft
- Höhere Wahrscheinlichkeit auf Akteneinsicht
- Höhere Wahrscheinlichkeit auf Besuch
2. Aber keine Garantie
Auch mit Vollmacht kann die Gegenseite einen besseren „Trumpf“ haben (zwingende gesetzliche Vorschriften) oder sich dennoch weigern (Übervorsichtigkeit, Unkenntnis).
Dennoch: Mit Vollmacht haben Sie eine deutlich bessere Ausgangsposition. Ohne Vollmacht haben Sie unter Umständen gar keine Möglichkeit.
3. Professionelle Erstellung ist entscheidend
Eine selbst erstellte Vollmacht wird eher angezweifelt. Eine professionell erstellte, beglaubigte Vollmacht wird deutlich eher akzeptiert.
4. In guten Zeiten erstellen
Wenn die Krise eintritt, ist es zu spät. Erstellen Sie Ihre Vollmacht heute, solange Sie gesund und urteilsfähig sind.
Handeln Sie heute
Die medizinische Vollmacht ist unverzichtbar für:
- Notfallsituationen (Koma, Bewusstlosigkeit)
- Geschlossene Psychiatrie
- Demenz und chronische Krankheiten
- Die Zeit nach dem Tod
- Alle Situationen, wo Sie nicht selbst sprechen können
Erstellen Sie heute:
- Medizinalvollmacht (Auskunft, Einsicht, Besuch, Notfall-Vertretung)
- Patientenverfügung (konkrete Behandlungswünsche)
- Vorsorgeauftrag (umfassende Regelung inkl. Vermögen)
- Generalvollmacht (umfassende Vertretung in allen rechtlich möglichen Angelegenheiten)
Warten Sie nicht bis zum Notfall. Dann ist es zu spät.
Sie möchten Ihre medizinische Vollmacht professionell erstellen lassen?
Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Erstgespräch. Wir beraten Sie individuell und erstellen mit Ihnen zusammen eine umfassende, rechtssichere und beglaubigte Vollmacht.
Sammeln Sie Ihre Vorsorgedokumente, solange Sie können.
Weiterführende Artikel:
- Generalvollmacht in der Schweiz: Vorteile, Risiken und was Sie unbedingt wissen sollten
- folgt: Patientenverfügung: Ihre Behandlungswünsche bindend festlegen
- folgt: Vorsorgeauftrag: Umfassende Vertretung für den Ernstfall
- Was tun, wenn trotz Vollmacht verweigert wird?
- Die vier wichtigen Vorsorgedokumente: Übersicht und Zusammenspiel
Professionelle Unterstützung für Ihre Nachlassplanung
Als Anwalt und öffentliche Urkundsperson in der Schweiz unterstütze ich Sie gerne bei der Gestaltung Ihrer Generalvollmacht. Meine umfassende Beratung berücksichtigt dabei nicht nur die rechtlichen Aspekte, sondern auch Ihre individuellen familiären und finanziellen Verhältnisse.






