Gerne habe ich bereits in einem anderen Blog davon berichtet, dass auch bei einer Übertretung (und damit einem Bereich, bei welchem es oft um wenig Geld geht, sodass die Kosten des Rechtsanwalts schnell mal höher sind als die Kosten) die Behörden zu einer Entschädigung an die Anwaltskosten verpflichtet werden können. Das ist ja eigentlich eine Selbstverständlichkeit, würde man meinen und der gesunde Menschenverstand sagt dies ja auch.
Entschädigungspflicht an Anwalt bei Übertretung
Aber in der Vergangenheit lief es nicht selten wie folgt ab:
Mandant möchte einen Strafbefehl nicht annehmen und mithilfe eines fachkundigen und erfahrenen Rechtsanwalts erhebt er Einsprache gegen einen Strafbefehl, auch wenn dies mehr kostet als der Strafbefehl. Aber wer weiss, vielleicht kommt ja wieder was und dann wird es happig. Vorsorge ist besser als nachsehen und man darf ja nicht wirklich immer alles wirtschaftlich betrachten.
Mithilfe des Anwalts und intensiverem Aufwand kann das schlagende Argument oder Beweismittel vorgebracht werden. Die Behörde hat plötzlich ein Einsehen und stellt das Verfahren ein, teilt aber mit, dass keine Entschädigung an die skosten zugesprochen werde, da das Verfahren ja ganz leicht gewesen sei, weder die Sach- noch die Rechtslage kompliziert seien usw.. Die meisten haben diese Kröte dann wieder geschluckt, weil ein Vorgehen dagegen ja wieder Anwaltskosten verursacht hätte und höchstens ein Nullsummenspiel herausschaute.
Im nachfolgenden zitiert BGE wettert das Bundesgericht aber geradezu mit Blitz und Donnerschlag gegen die Vorinstanzen und verpflichtet diese
- eine Entschädigung an die Anwaltskosten festzulegen für die unteren Verfahren
- die Anwaltskosten für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesgericht zu zahlen und zwar satte 3000 Franken Parteientschädigung!
Entschädigungspflicht an Anwalt bei Übertretung
Damit wollte das Gericht wohl allemal deutlich machen, dass nicht nur bei schweren Deliktsvorwürfen eine Entschädigung geschuldet ist.
Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sie eingestellt, hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).
Nun zum Entscheid selbst:
Urteil vom 17. Juli 2014 6B_209/2014
Strafrechtliche Abteilung
…
Sachverhalt:
A.
Die Staatsanwaltschaft Brugg-Zurzach verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 6. August 2011 wegen Verletzung der Verkehrsregeln (Vornahme von Verrichtungen, welche die Bedienung des Fahrzeugs erschweren und Nichtmitführen des Führerausweises) zu einer Busse von Fr. 250.–.
Auf Einsprache von X.________ stellte die Staatsanwaltschaft am 13. September 2013 das Strafverfahren wegen Verletzung der Verkehrsregeln ein und wies den Antrag auf Zusprechung einer Parteientschädigung ab. Sie verurteilte X.________ mit Strafbefehl vom 4. Oktober 2013 wegen Nichtmitführen des Führerausweises zu einer Busse von Fr. 20.–.
B.
Das Obergericht des Kantons Aargau wies die von X.________ gegen die Verweigerung der Parteientschädigung gerichtete Beschwerde am 16. Januar 2014 ab.
C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Oberstaatsanwaltschaft und das Obergericht des Kantons Aargau verzichten auf eine Vernehmlassung.
Erwägungen:
1.
1.1. Die Vorinstanz erachtet die Voraussetzungen für die Zusprechung einer Parteientschädigung als nicht gegeben. Dem Beschwerdeführer sei ursprünglich vorgeworfen worden, während rund 100 Metern auf das sich in seiner rechten Hand befindende Mobiltelefongerät geschaut zu haben. Bei der ihm zur Last gelegten Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz handle es sich um eine offensichtlich nicht schwerwiegende Übertretung. Das Verfahren sei weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht komplex gewesen und habe mit einer Einstellungsverfügung geendet. Der Beschwerdeführer hätte sich gegenüber dem erhobenen Tatvorwurf hinreichend selbst verteidigen können.
1.2. Der Beschwerdeführer beruft sich auf die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung und macht geltend, dass der Beizug eines Rechtsvertreters nicht nur angemessen, sondern notwendig gewesen sei, zumal erst dessen Intervention zur späteren Einstellung des Strafverfahrens geführt habe.
2.
2.1. Wird die beschuldigte Person ganz oder teilweise freigesprochen oder wird das Verfahren gegen sei eingestellt, hat sie Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte (Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO).
2.2. Der Beschwerdeführer beauftragte seinen Verteidiger, nachdem die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl vom 6. August 2011 erlassen hatte. Nach erfolgter Einsprache führte die Staatsanwaltschaft am 28. Februar 2012 in Anwesenheit des Verteidigers eine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durch. Am 29. Juli 2013 teilte sie den Abschluss der Untersuchung mit und kündigte die Anklageerhebung auf der Grundlage des ursprünglichen Strafbefehls an. Im Abschlussverfahren beantragte der Verteidiger am 22. August 2013 hinsichtlich des Anklagevorwurfs der Verletzung von Verkehrsregeln eine Ergänzung der Untersuchung, worauf die Staatsanwaltschaft am 27. August 2013 eine neue Parteimitteilung erliess und die teilweise Einstellung des Verfahrens in Aussicht stellte. Die Einstellungsverfügung erging am 13. September 2013.
2.3. Wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, kann bei dieser Ausgangslage nicht mehr von einem einfachen Sachverhalt ohne juristische Schwierigkeiten gesprochen werden. Das Verfahren dauerte rund zwei Jahre und wurde von der Staatsanwaltschaft – wie auch die Vorinstanz einräumt – mit einer gewissen Hartnäckigkeit verfolgt. Sie führte eigene Beweiserhebungen durch, stellte im Anschluss daran eine Anklageerhebung in Aussicht und entschloss sich erst aufgrund eines Beweisergänzungsantrags des Verteidigers, das Verfahren einzustellen. Unter diesen Umständen war der Beizug eines Wahlverteidigers ohne Weiteres angemessen, um die Verfahrensrechte des Beschwerdeführers auszuüben (vgl. zum Ganzen BGE 138 IV 197). Die Beschwerde ist gutzuheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau vom 16. Januar 2014 ist aufzuheben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückzuweisen.
3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 BGG). Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, vom 16. Januar 2014 wird aufgehoben und die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.
Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 3’000.– zu bezahlen.
4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Beschwerdekammer in Strafsachen, schriftlich mitgeteilt.
…
Quelle: http://relevancy.bger.ch/php/aza/http/index.php?lang=de&zoom=&type=show_document&highlight_docid=aza%3A%2F%2F17-07-2014-6B_209-2014